Die deutsche Debattenkultur, das Bildungssystem, die Digitalisierung, das Thema Pflege und die Organspende. Die rund 90-minütige exklusive Diskussionsveranstaltung zwischen dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und den Wirtschaftsjunioren Paderborn+Höxter bot eine Fülle an Themen und mit der Stadtbibliothek Paderborn einen würdigen Rahmen.
„Schön, dass wir uns in einer Bibliothek treffen. Gerade hier ist es gut zu sehen, wie die klassischen und die digitalen Medien zusammenwachsen“, sagte Spahn im Rahmen seines Impulsvortrags. Dort spielte die Digitalisierung im Gesundheitswesen dann auch eine entsprechende Rolle. „Ich glaube, dass sie viele Veränderungen und Entlastungen bringen wird. So zum Beispiel bei der Dokumentationspflicht für Ärzte. Wenn eine Software die Diagnose parallel zur Untersuchung aufzeichnet, fällt die Extrazeit für die Schreibarbeit weg. In der Pflege werden uns in den nächsten Jahrzehnten sicher Roboter auf die eine oder andere Weise unterstützen. Der Faktor Mensch wird trotzdem weiter sehr wichtig sein. Der Beruf der Pflegekraft bleibt ein Beruf mit Zukunft“, betonte Spahn.
Die Gesellschaft muss wieder lernen, zu debattieren
Da die Digitalisierung für eine veränderte Öffentlichkeit sorge, müsse die Gesellschaft allerdings aufpassen, nicht ihre Fähigkeit zur Debatte zu verlieren. „Ich glaube immer noch, dass man in Deutschland alles sagen kann. Wenn dem so ist, muss man aber damit rechnen, dass es Reaktionen gibt. Was mir in diesem Prozess derzeit fehlt, ist der Bezug zur Sach- und Faktenebene. Die Diskussionen sind zu schnell auf der moralischen oder emotionalen Schiene. Wer die Fakten außer Acht lässt, wird nie zu einer tragfähigen Lösung für die Zukunft kommen. Dann entsteht schnell Frust und ein Vertrauensverlust dem politischen System gegenüber. Wir müssen wieder lernen, zu debattieren“, forderte Spahn. Er selbst merke die schwierige Diskussionsgemengelage derzeit beim von ihm angeschobenen Thema der Organspende. „Es gab im vergangenen Jahr 800 Transplantationen, aber 10.000 Menschen warten auf ein Organ. Da ist ein Schiefstand, obwohl die Zahl der Menschen mit Organspendeausweisen steigt.“ Spahns Ansatz ist, an dieser Stelle die Kliniken mit höheren Zeitkontingenten und mehr Geld auszustatten und die Gesellschaft zu einer aktiven Entscheidung für oder gegen die Organspende zu bewegen. „Ich setze mich für die doppelte Widerspruchslösung ein. Kern ist, dass sich jeder, der nicht spenden möchte, aktiv dagegen entscheiden muss. Hat er das zu Lebzeiten nicht getan, dann müssen nach dem Ableben die Angehörigen darüber entscheiden. Ob es am Ende so kommt, werden wir wahrscheinlich im kommenden Frühjahr sehen. Mir ist wichtig, dass das Thema auf den Tisch kommt und in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird“, sagte der CDU-Politiker.
Den Wert des Handwerks stärker betonen
In Sachen Bildung brach Spahn eine Lanze für die Abschlüsse neben dem Abitur. „Menschen sind nicht nur als Akademiker zu etwas zu gebrauchen. Wir müssen den Wert der weiteren Abschlüsse und zum Beispiel den Wert der Handwerksarbeiten wieder mehr betonen“, so Spahn, der auch die rund 30 anwesenden Mitglieder der Wirtschaftsjunioren Paderborn+Höxter dazu aufforderte, über den Tellerrand hinaus zu schauen. „Das Paradoxe ist, dass wir in einem Land leben, dem es so gut geht, wie noch nie. Trotzdem haben wir die aktuellen Stimmungslagen und fehlendes Vertrauen in die Politik. Das sollte uns zeigen, dass die Wirtschaftsleistung zwar bedeutend ist, es aber eben noch viele Sachen daneben gibt, auf die die Menschen schauen.“ Wie Michael Kubat, der die Diskussionsrunde gemeinsam mit Philipp Frahmke und dem Arbeitskreis Zukunft und Politik innerhalb der Wirtschaftsjunioren organisiert hatte, im Anschlussstatement betonte, ist die Botschaft in den Kreisen der Unternehmer schon längst angekommen: „Gerade wir Wirtschaftsjunioren zeichnen uns dadurch aus, dass wir Themen kontrovers diskutieren und immer wieder aus neuen Blickwinkeln heraus betrachten. Die heute erhaltenen Impulse nehmen wir gerne mit auf.“
Bildnachweis: Besuch Jens Spahn am 8. September 2018, Fotos: Philipp Frahmke, Mark Heinemann
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